27.09.2021 - VON DANIELA MUCHOW

Damnatz. Wenn Nanda Rutjes von ihrer Freundin Tanja Wittmann erzählt, die im Januar dieses Jahres im Alter von 54 Jahren verstarb, dann spürt man neben Trauer so viel Lebendigkeit. Rutjes spricht mit einem Lächeln und großem Herz, auch wenn sie immer wieder tief Luft holen muss. Ihre Freundin sei immer so lebendig gewesen, engagiert und voller Freude, sagt sie. Unter anderem deshalb fällt es der Frau aus Schwiepke schwer, am Grab in Clenze den Verlust um die vieljährige Freundin, der sie in den letzten Tagen beistand, zu betrauern. "Da ist es für mich still. Da werde ich still. Und Tanja war nicht still."

Neben dem Grab ein weiterer Ort der Erinnerung

Nanda Rutjes suchte also neben dem Grab nach einem weiteren Ort der Erinnerung. Nach einem Ort, der ebenso wie das Grab für andere Menschen in Tanja Wittmanns Leben frei zugänglich sein sollte. Einen Platz, den sie gestalten könnte. Sie fand ihn an der Elbe, in Damnatz, beim dortigen Blühpatenprojekt. Davon hatte sie schon vor Längerem in der Zeitung gelesen. Es kam ihr wieder in den Sinn, als sie nach inneren Bildern griff, die sie mit ihrer Freundin verbanden: "Ich habe einen Strauß voller Erinnerungen von ihr." Und mit viel Farbe und Freundlichkeit soll dieser nun auf einer 4000 Quadratmeter großen Fläche im kommenden Jahr zwischen Damnatz und Barnitz direkt am Deich erblühen.

Es werde die "Tanja-Wiese", blickt Nanda Rutjes auf das Areal, auf dem vor Kurzem noch Rinder weideten und das zwischen kleinen Waldschonungen liegt. Bald soll es umgebrochen werden, im Frühjahr dann eine spezielle Mischung gesät werden. Ein Insektenhotel steht an der Fläche. Und dass dort zufälligerweise eine Bank aufgestellt ist, gefällt der Freundin besonders gut. Alles sei sehr stimmig.

Damnatz verdoppelte auf 4000 Quadratmeter

Viele Menschen unterstützten die Idee des Erinnerungsortes: der Partner und die Söhne der Verstorbenen, Freundinnen und der Chor, in dem Tanja Wittmann sang. So kamen 2000 Euro zusammen, die für einen Zeitraum von fünf Jahren 20 Blühpatenschaften zu 100 Quadratmeter bilden. Aus dem Blühpatenprojekt der Damnatzer heraus wurde die Fläche auf das Doppelte vergrößert, berichtet Bürgermeister Torsten Schulz. Hintergrund: Die gewählte Fläche am Deich ist stark verschattet. Schulz sagt, dass die Damnatzer ganz "angetan seien von der Idee, auf diese Weise Trauer zu bewältigen". Und es passte, weil die zusammenhängende Fläche mit der Erweiterung des Projektes zur Verfügung stand. Die künftige Tanja-Wiese ist die größte Fläche innerhalb des Projektes, die auf quasi eine Patenschaft zurückgeht. Vermutlich wird auch ein Schild darauf verweisen, wem diese Blühpatenschaft gewidmet ist.

Tanja Wittmann hatte eine seltene Krebserkrankung

Ist das den Angehörigen nicht zu öffentlich? Nein, erklärt Nanda Rutjes. Tanja Wittmann war so lebenbejahend wie offen. Stimmt. Der EJZ hatte sie im Sommer 2019 ein Interview zum Thema "Leben mit Krebs" gegeben. Da lebte sie bereits seit fünf Jahren mit der Erkrankung. Die Bergenerin hatte eine seltene Form des neuroendokrinen Tumors (NET). Als der Krebs entdeckt wurde, berichtete sie der EJZ, hatte er bereits gestreut - unter anderem in die Leber, die Lymphdrüsen und die Bauspeicheldrüse. Daher traf die Frau zunächst die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium, Lebenszeit stark verkürzt. Mit der Diagnose NET blieb etwas mehr Zeit. Die habe ihre Freundin ausgekostet. Sie sei nach Irland gereist, habe viel getanzt, die Geburt der ersten Enkeltochter im Herbst 2019 erlebt. Und sie hat sich sogar noch einmal verliebt: im Frühjahr 2020. Es war eine Liebe, die nur neun Monate Zeit haben sollte.

Als der Partner von der Blühwiesen-Idee erfuhr, habe er zu ihr gesagt, Tanja würde sie zweimal umarmen und auf der Wiese tanzen, erzählt Nanda Rutjes. Sie kann sich vorstellen, dass Familie und Freundinnen dort Ende August zu Tanja Wittmanns Geburtstag zusammenkommen. Der Chor könnte dort proben. Man könnte auf der Bank oder einem Liegestuhl den Wind in den Bäumen genießen. Oder auch tanzen, sagt Ute Wagner aus Beseland. Sie ist eine der Freundinnen, die die Blühpatenschaft unterstützen. Sie habe Tanja Wittmann gekannt, sei aber enger mit Birgit Schiemann verbunden gewesen. Diese verstarb im Mai 2020 plötzlich und war ebenfalls mit der Bergenerin befreundet gewesen. Ute Wagner hält ein Bild, das die Verstorbenen bei einer Demo im Frühjahr 2020 zeigt, in den Händen. Auf der Blühwiese, findet Ute Wagner, könnten sich die Seelen der Freundinnen begegnen. Das treffe sie ins Herz und sei ein Trost. dam